Interview mit Mell Brites vom 4. Dezember 2020 in São Paulo.
Im Gespräch mit Silvio Tamaso D’Onofrio.
(Silvio D'Onofrio) Frau Brites, sind sie in Ihrer Kindheit oder in Ihrer Jugend mit Monteiro Lobatos Werk für junge Leser*innen in Berührung gekommen? Haben Sie die Bücher über den Sítio do Pica-Pau Amarelo [der Hof des Gelben Spechts] gelesen?
Mell Brites: Ja, ich erinnere mich als Kind u.a. Reinações de Narizinho, Emília no país da gramática, Geografia de dona Benta [Narizinhos Abenteuer, Emília im Land der Grammatik, Dona Bentas Geographie] gelesen zu haben.
(SD) Erschienen Ihnen manchmal die Begriffe, die Art und Weise, wie die Geschichten erzählt wurden, beispielsweise in der Darstellung von Tia Nastácia, unangebracht?
Lässt sich Ihrer Meinung nach in diesen Formulierungen aus der Kinder – und Jugendliteratur Monteiro Lobato eine sarkastische oder sogar böswillige Absicht unterstellen? Oder sind sie vielmehr das Werk von jemandem, der wusste, dass er sich an ein junges Lesepublikum wandte und sich deshalb kreativer Freiheit in seinen Ausdrücken bediente, was nachträglich vielleicht Raum für Zweifel geschaffen haben mag? Wie würden Sie das deuten?
Mell Brites: Was wir in Monteiro Lobatos Werk vorfinden, entstand aus dem historischen Kontext und dem strukturellen Rassismus, der glücklicherweise aktuell in unserem Land diskutiert und bekämpft wird. Die Dringlichkeit des Themas erinnert uns daran, dass es unser aller Aufgabe ist, im Umgang mit diesen Fragen, Achtsamkeit und Verantwortung zu zeigen.
Interview mit Isabel Lopes Coelho vom 7. Oktober 2020 in São Paulo.
Im Gespräch mit Silvio Tamaso D'Onofrio.
(Silvio D'Onofrio) Frau Coelho, sind sie in Ihrer Kindheit oder in Ihrer Jugend mit Monteiro Lobatos Werk für junge Leser*innen in Berührung gekommen? Haben Sie die Bücher über den Sítio do Pica-Pau Amarelo [der Hof des Gelben Spechts] gelesen?
Isabel Coelho: Mein erster Kontakt mit Monteiro Lobatos Werk war sporadischer Natur: in unserem Haus hatte ich Zugang zu den gesammelten Werken, die meiner Mutter gehörten als sie ein Kind war. Stellen Sie sich vor, was für ein Glück ich hatte. Ich erinnere mich, das eine oder andere Buch gelesen zu haben, aber tatsächlich nicht die komplette Sammlung, die ich erst als Erwachsene in ihrer Gesamtheit kennengelernt habe. Neben seinen Büchern erlebte ich durch die Fernsehserie einen anderen Zugang zu Lobatos Werk.
(SD) Erschienen Ihnen manchmal die Begriffe, die Art und Weise, wie die Geschichten erzählt wurden, beispielsweise in der Darstellung von Tia Nastácia, unangebracht?
Lässt sich Ihrer Meinung nach, ausgehend von diesen Formulierungen in Monteiro Lobatos Kinder – und Jugendliteratur, dem Autor eine sarkastische oder sogar böswillige Absicht unterstellen? Oder sind sie vielmehr das Werk von jemandem, der wusste, dass er sich an ein junges Lesepublikum wandte und sich deshalb kreativer Freiheit in seinen Ausdrücken bediente, was nachträglich vielleicht Raum für Zweifel geschaffen haben mag? Wie würden Sie das deuten?
Isabel Coelho: Vom Standpunkt einer erwachsenen und gewissenhaften Leserin, erhält die Lektüre der heute als polemisch angesehenen Formulierungen Lobatos Werk neue Relevanz. Es ist ein Unbehagen, dass uns dazu veranlasst, die Bedeutung der Positionierung des Autors, seines Werks und des historischen Kontexts zu reflektieren. Dennoch bin ich der Meinung, dass die historische Distanz es uns nicht erlaubt, ein Urteil über die persönlichen Beweggründe des Autors in dieser Angelegenheit zu fällen. Was mir aber durchaus zielführend scheint, ist der informierte Diskurs, der sich uns heute durch unsere Erkenntnisse über die Geschichte, über die Literatur und für unsere soziale Realität eröffnet. Das macht es uns möglich, die heutige Generation von Leser*innen an das Thema heranzuführen und die Wertschätzung eines für unsere Kultur so wichtigen Werkes zu gewährleisten.